Berlin-Brandenburgisches Sonntagsblatt, 4 (1994) 33. S.16

Für immer verstummt

Zur Erinnerung an die Kirche von Sauo

Sauo, nordwestlich von Senftenberg gelegen, war ein Lausitzer Dorf mit 900 Einwohnern. Eines Tages wurde die dörfliche Stille des Dorfangers jäh unterbrochen - vom Scheppern der Bagger des Tagebaus Meuro, unter dessen Kippen das Dorf schließlich zwischen 1972/73 versank.

„Ich will nicht eher ruhen, bis die Gemeinde Sauo eine eigene Kirche hat", sagte Pastor Rother 1930 von der evangelischen Kirche in Senftenberg, der auch die Gemeinde Sauo geistlich mit zu betreuen hatte.. Die Gottesdienste in Sauo fanden nämlich in der Schule statt, wo die Erwachsenen in den engen Schulbänken recht unbequem sitzen mußten.

Letzte Trümmer der Dorfkirche in Sauo, 1971.

Damals wie auch heute war, die Frage nach der Finanzierung für einen Kirchenneubau ein fast unlösbares Problem. „Woher das Geld nehmen?" Da stellten die -Niederlausitzer Kohlenwerke als finanzkräftige Sponsoren ein ihnen gehörendes Grundstück mit gut erhaltenem Viehstall kostenlos zur Verfügung. Auch die, Ilse-Bergbau und die Anhaltischen Kohlenwerke beteiligten sich. Und so konnte am Ostersonnabend 1934 der Um- und Ausbau des Viehstalls beginnen.

Nachdem dann zwei Glocken (265 und 150 Kilogramm schwer) auf dem neu errichteten fünfzehn Meter hohen Turm mit seiner gläsernen Zwiebel aufgehangen waren, konnte die Kirche am 26. August 1934 - also vor sechzig Jahren - eingeweiht werden. Zur Einweihung kamen so viele Menschen, das sie nicht alle in der Kirche Platz fanden und die Einweihungsfeierlichkeiten vor der Kirche über einen dort aufgestellen Lautsprecher, verfolgen mußten.

Nach 37 Jahren dann wurde die Kirche 1971 abgebrochen und samt Dorf vom Tagebau überbaggert. Doch durch, zwei Besonderheiten ist die Kirche in Sauo unvergessen geblieben: durch ihre gläserne durchsichtige Turmzwiebel, die wohl einmalig in Deutschland war, zum anderen durch ihre Besitzverhältnisse. Das den Niederlausitzer Kohlenwerken gehörende Kirchengrundstück wurde als kapitalistischer Besitz nach 1945 enteignet und dem VEB Bergbau zugeordnet. Die damaligen Behörden hatten vergessen, das Grundstück der Kirche zu übereignen, wie das in ähnlichen Fällen gehandhabt wurde. So war die evangelische Kirche in Sauo die einzige Kirche in der DDR, die bis zu ihrem Abbruch dem VEB Braunkohlenkombinat Senftenberg gehörte.

Heute sollte man auf der Kippe des Tagebaus einen Gedenkstein für die Kirche von, Sauo errichten.


Lausitzer Rundschau, 16.Juni 1977

Das Volkshaus Sauo trug den roten Stern.

Weithin sichtbar -

der rote Stern

Unsere gegenwärtigen Erlebnisse der Freundschaft haben wir nicht zuletzt jenen Frauen und Männern zu verdanken, die in harten Klassenkämpfen die kapitalistischen Ausbeuter davon jagten und die Grundlagen für die Errichtung der sozialistischen Gesellschaftsordnung schufen.

Da war das Dorf Sauo im Jahre 1907. Ein Dorf, das den Namen „Rotes Sauo" unter den Arbeitern führte. Es gehörte rein äußerlich nicht zu den Perlen der Niederlausitz. Ein Dorfanger war vorhanden, auf dem im Sommer die Gänse das Gras rupften, und aus den Ställen klang das Klappern der Milchkannen. Ein Dorf aber auch, in dem klassenbewußte Arbeiter lebten, umgeben von den Gruben Elisabethsglück und Berta.

Am 28. April 1907 sollte Karl Liebknecht auf einer Versammlung in Senftenberg sprechen. Die kaiserliche Polizei verbot dies, und da nahmen die Sauoer Arbeiter, Deutsche und Polen, Karl Liebknecht in ihre Mitte und fuhren, von Radfahrern begleitet, nach Sauo. Dort sprach dann Karl Liebknecht im Gasthaus.

Genau 38 Jahre später, am 21. April 1945, begann sich das, was Karl Liebknecht vorausgesagt hatte, zu realisieren. Die Sowjetarmee kam nach Sauo und ein neues Zeitalter, das sozialistische, begann. Am Saal des Gasthauses, in dem Karl Lieb-knecht sprach und das nun Volkshaus hieß, wurde weithin sichtbar als Erinnerung von sowjetischen Soldaten, ein roter Stern angebracht.

Heute existiert das Dorf Sauo nicht mehr. Im Jahre 1972 wich es der auf diesem Gelände lagernder. Braunkohle. Der Tagebau Meuro fördert nun das schwarze Gold zutage und erschließt es für die Energiegewinnung.

Ich möchte gern einen Vorschlag unterbreiten. Sollte man nicht an der gleichen Stelle, an der das Volkshaus stand, nach der Rekulti vierung des Tagebaugeländes einen Gedenkstein errichten? Er soll an das Auftreten Karl Liebknechts in Sauo vor nunmehr 70 Jahren erinnern. Denn diese Rede war mit der Anstoß für den großen Bergarbeiterstreik, der am 16. September 1907 in Senftenberg begann. Insgesamt waren mehr als 1400 Bergarbeiter am Streik beteiligt. Im Ergebnis des Streiks konnten einige Verbesserungen für die Lage der Arbeiter erreicht werden. Wichtig war aber auch, daß die Klassenzusammengehörigkeit der Bergarbeiter gestärkt wurde.

Auf dem Gedenkstein sollte auch ein roter Stern angebracht werden. Zur Erinnerung an das Symbol, das im Jahre 1945 sowjetische Soldaten am Volkshaus anbrachten.